II. Zur Geschichte der wirtschaftlichen Grundlagen
2. Flurstücke
Flurnamen stellen bei der
geschichtlichen Erforschung unseres Dorfes in vielen Fällen eine fast unersetzliche Quelle dar. Sie sind Ersatzbeleg für längst verschollene oder durch
Kriegsfurie und Brandkatastrophen vernichtete Urkunden und Dokumente. Sie künden von slawischen Völkerstämmen, die in frühchristlicher Zeit auch
die Flur von Bornum besiedelt haben müssen. Insgesamt erhalten wir von ihnen Auskunft über Rechts- und Besitzverhältnisse, Bodenbeschaffenheit und Vegetation,
über Besiedlungsformen und -vorgänge, weiterhin über den Verlauf alter Handels- und Verkehrswege und vieles andere mehr. Neben den
überwiegend aus der niederdeutschen , aber verschiedentlich auch aus der alt- und mittelhochdeutschen Sprache stammenden Flurnamen gibt es
daneben einige wahrscheinlich den slawischen Sprachen entstammende Benennungen. Sie sind in jahrhundertelangen Sprachgebrauch eingedeutscht, zum Teil bis
zur Unkenntlichkeit verändert und abgeschliffen worden. Ihre Bedeutung ist darum nicht immer und mit aller Bestimmtheit zu klären. So sind z.B. de Karten der
herzoglichen Landesgeneralvermessung aus der Mitte des 18. Jh. in vielen Fällen für eine genauere Deutung eine sehr unzuverlässige Quelle. Die damaligen
Vermessungsbeamten übertrugen, oft der niederdeutschen Sprache unkundig, die Flurbezeichnungen dem Gehör nach in ihre Amtssprache. Das Befragen älterer und
zeitlebens in Bornum wohnender Bürger hinsichtlich der Aussprache dieser Namen erwies sich dagegen als die erfolgreichere Methode. Sie teilten die
Feldbezeichnungen in ihrer niederdeutschen Sprache mit. Die Bauern hatten zu den Feldern als ihrer alleinigen Existenzgrundlage immer eine sehr
enge Beziehung. Die Bauernsöhne als Anerben prägten sich die vom Vater überlieferten Flurbezeichnungen genau ein und ließen sie unabhängig von Separations- und
sonstigen Flurbereinigungsmaßnahmen zu feststehenden, unverrückbaren Begriffen für bestimmte Gebiete in der Bornumer Feldmark werden. Von Generation zu
Generation weitergegeben sind sie so weitgehend unverfälscht bis in unsere Gegenwart gelangt.
Es gilt als sprachetymologisch gesichert, dass die
Flurbezeichnungen Heßel, Lohwiese, Broitzen und Rottebleek slawischen Ursprungs sind und damit zumindest zeitweise wendische Besiedlung in diesem Gebiet
angenommen werden kann. Bei Heßel entwickelt sich aus Hesla oder auch Hasselá der heutige Name. La und Lo bedeuteten in der slawischen Sprache der Wenden
soviel wie Wald. Die Lohwiese kommt also in ihrer heutigen Bedeutung der heutigen Waldwiese gleich. Der slawische Wortstamm für das deutsche faulen ist
rote. So hat dieses Wort in der hiesigen Leineweberei mit der Bezeichnung Rottebleek und Flachsrotteninteressentschaft Eingang gefunden. Das
Flurstück Im Broitzen bzw. Über den Broitzen geht ebenfalls auf slawischen Wortstamm zurück.: brud oder brozda bedeuten dort das gleiche wie hier
Furt oder Furche. Anhaltspunkte für eine angebliche von Dr. Kleinau in seinem geschichtlichen Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig
vermutete Wüstung Broitzem lassen sich heute allerdings nicht mehr finden. Dagegen lassen sich die vielen aus der althoch- und niederdeutschen Sprache
herrührenden Flurnamen in der Gemarkung Bornum / Elm in den meisten Fällen leichter zu deuten:
Die Sülte, ein Flurstück in der Nähe unseres
ehemaligen Bahnhofes, entstammt der niederdeutschen Sprache, in der Salz Solt heißt. Womöglich ein salzhaltiges Land also. Ein zwischen dem
Rottebleek und der Sülte anzusiedelnder Teich war bereits zwischen 1750 und 1770 in der Verlandung begriffen. Sehr häufig wird im Kreise Helmstedt ein
Landstück mit Camp bezeichnet. Es ist meistens ein abgegrenztes aber nicht eingefriedetes Feld. Camp steht gewöhnlich in Gemeinschaft mit einem
zweiten Begriff. So auch in Bornum: Steincamp, Eggelingscamp, Springcamp, Campsberg, Kroemcamp, Eckerncamp, oder Phalscamp. Bei letzterem ist es
zwischenzeitlich immer wieder zu Fehldeutungen gekommen, die wohl ihren Grund in der Amtssprache der herzoglichen Vermessungsbeamten haben. Auf
diesem hoch am Elmrand gelegenen Feld wurde deshalb oft irrigerweise ein ehemaliges Pfahldorf angenommen. Die niederdeutsche Benennung müsste dann aber
Pahlscamp sein. Tatsächlich sprachen einige Bewohner des Ortes aber Pfahlsvamp mit dem Reibelaut „f“ und nicht mi seiner Affrikate „pf“
aus. Nur von hier aus ließe sich eine Siedlung vor dem Elm schlüssig belegen als Camp eines Ansässigen also, was der alte Begriff Fale oder Vale ja
beinhaltet.
Auch die Flurbereinigung Auf der Bünne am Ortsrande der Gemeinde Bornum fußt auf einer niederdeutschen Form. Im Gegensatz zum
Gemeindegrundstück ist hiermit ein nicht zehntpflichtiges Privatgrundstück gemeint, das sich aus Beunde zu Bunde und später zu Bünde entwickelte. In
einer althochdeutschen Form geriet das ursprüngliche Biunda zu Biwende und dann zu Bünde.
Über die Bedeutung des Namens Klapperberg waren sich die
Sprach- und Heimatforscher lange im Unklaren. Erst als man herausfand, dass hier lange Zeit eine Blume in großen Mengen wuchs, welche die Kühe immer
verschmähten, begann man die wahrscheinliche Bedeutung zu erkennen: Es handelte sich um den Feldmohn (Alecteroluphus), im Volksmunde auch gemeinhin
Klapperblome genannt.
Noch ein anderes Missverständnis soll hier abschließend ausgeräumt werden. Das Flurstück Die Wendsee oder Wendshöh ist mit
Sicherheit kein Beleg für die Ansiedlung wendischer Volksstämme. Oberhalb der Bundesstraße 1 nach der Abbenröder Feldmark hin gelegen ist es die Wende,
also das an eine andere Gemarkung angrenzende Gebiet. Das althochdeutsche Wort Wenti ist gleichbedeutend mit Grenze.
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